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Hightech-Lagermanagement

Industrie 4.0 für jedermann

Industrie 4.0 oder Internet of Things (IoT): aktuelle Top-Themen in der deutschen Industrie. Die deutsche Regierung oder Verbände, z. B. der VDMA, weisen nachdrücklich auf die Bedeutung digitaler Technologien hin. Die Botschaft lautet: „Unternehmen, die den Trend Industrie 4.0 verschlafen, werden vom Markt verschwinden“.

Auch das Institut Fraunenhofer äußerst sich entsprechend (Zitat): „An die Produktion der Zukunft werden hohe Anforderungen gestellt: Sie muss intelligent, wandelbar, effizient und nachhaltig sein. „Industrie 4.0” steht für die intelligente Vernetzung von Produktentwicklung, Produktion, Logistik und Kunden. Die vierte industrielle Revolution wird den Wirtschaftsstandort Deutschland verändern“.

Der hohe Stellenwert dieses Themas und zugleich der inflationäre Gebrauch der Schlagwörter Industrie 4.0 und IoT machen es für den Anwender nicht leicht, sich zurechtzufinden und die neuen Perspektiven gewinnbringend zu nutzen. Im Gegenteil, große, allumfassende Visionen versperren eher den Zugang zu praxisgerechten Anwendungen und einer konkreten Nutzung vorhandener Technik. In diesem Fachbericht geht es darum, eine konkrete Anwendung mit Hilfe einer Cloud-Lösung zu optimieren. Der große Vorteil: Prozesse, die bisher den Aufbau einer eigenen, aufwendigen ITInfrastruktur voraussetzten und daher nur von Großunternehmen realisierbar waren, werden damit jetzt auch für kleine und mittelständische Unternehmen nutzbar gemacht.

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Anforderungen an ein modernes Lagermanagement

Die Anforderungen umfassen u. a.: Abrufbarkeit aktueller Warenbestände in einem Lager jederzeit, Inventur auf Knopfdruck, automatische Alarmauslösung bei Erreichen einer Mindestmenge, kombiniert mit automatischer Nachbestellung, einfacher Zugriff auf dezentrale Lagerstandorte, Abrufbarkeit aktueller Bestände in Konsignationslagern jederzeit, um Abrechnungen unabhängig von der Mitarbeit des Kunden zeitnah und korrekt durchführen zu können.

Außerdem: Zeitnaher Zugriff auf die aktuellen Lagerbestände zur Optimierung der Auffüllprozesse und Pufferbestände und damit zur Minimierung der Kapitalbindung, frühzeitiges Erkennen von Trends mit Hilfe der zeitlichen Verläufe der einzelnen Lagerbestände, um für einzelne Produkte optimale Einkaufs- und Lagerstrategien zu entwickeln.

Klar definierbarer Nutzen

Werden diese Anforderungen abgedeckt, sinken die Lagerkosten signifikant. Der personelle Aufwand für die Lagerverwaltung wird reduziert. Zudem wird der Service in Form eines Lagermanagements als Dienstleistung für Kunden ermöglicht und das Risiko von Produktionsstillständen aufgrund von Materialengpässen minimiert.

Bisherige Vorgehensweise

Große Unternehmen haben die o. g. Herausforderungen durch den Aufbau einer individuellen technischen Infrastruktur mit hohen zeitlichen und finanziellen Aufwänden gelöst. Die Warenbestände wurden mittels unterschiedlicher technischer Verfahren (gravimetrisch, optisch, per RFID-Scanner usw.) erfasst, über ein internes Netzwerk gesammelt und an ein zentrales System übermittelt. Die Gesamtlösung bedarf einer Vielzahl interner, aufeinander abgestimmter Schnittstellen und Protokolle. Die Aufbereitung der Daten muss kundenspezifisch konfiguriert werden. Personen, die Zugriff auf diese Daten erhalten sollen, müssen individuell an diese Systeme angebunden werden. Zur Realisierung dieser Lösungen werden eine Vielzahl unterschiedlicher Spezialisten benötigt: Anwendungsspezialisten, die die Arbeitsprozesse definieren. Mess und Regeltechniker, die Sensoren zur Bestandserfassung installieren, Netzwerkspezialisten, die sich um die Anbindung der Sensoren und Anwender kümmern, IT-Spezialisten, die die Server aufsetzen und Anwendungsprogrammierer, die die Programme erstellen und konfigurieren. Für große Unternehmen ein schwieriges Unterfangen, für kleine und mittelständische Unternehmen oft nicht machbar.

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Vorgehensweise Industrie 4.0

Ein zentraler Cloud-Dienstleister kümmert sich um die Konzeption und den Aufbau der o. g. Infrastruktur. Vordefinierte technische Systeme lassen sich durch den Anwender einfach über das Internet anbinden. Die Anwender erhalten über ein browserbasiertes Endgerät (PC, Tablet oder Smartphone) Zugriff auf die Daten. Da die Infrastruktur kundenunabhängig existiert, können einzelne Kunden auch kleine Projekte kostengünstig realisieren, da die Initial- und Fixkosten auf einen großen Kundenkreis umgelegt werden. Die Begrenzung auf einen Gerätetypus, in diesem Beispiel Waagen, bietet den Vorteil, dass man die Datenstrukturen, Geräteschnittstellen, Protokolle und die Visualisierung für viele Nutzer auf eine gemeinsame Basis stellen kann. Variable Kosten für den Datentransfer und die Datenspeicherung lassen sich bei diesem Modell sehr gut abschätzen und somit auch konkret bepreisen. Für den Anwender bedeutet das: eine Preistransparenz, die zur Akzeptanz des Angebotes führt.

Grundsätzlicher Aufbau einer Cloud Plattform am Beispiel der Heavy Data Waagen-Cloud

Der Lager- und Logistikbereich ist sicherlich einer der größten Märkte für die Anbindung von Waagen an eine Cloud. Hier bietet die Wägetechnik den großen Vorteil, für alle Lagerarten geeignete Systeme zur Verfügung zu stellen.

Vom Kleinteilelage mit Tausenden von Artikeln, die in Boxen gelagert werden, über Palettenwaagen für Sackwaren bis zu Silowagen mit einer Kapazität von mehr als 1.000 t ist alles möglich und in einer Cloud zusammenführbar. Bei der Auswahl der Cloud ist unbedingt darauf zu achten, eine geräte- bzw. herstellunabhängige Lösung auszuwählen. So ist für jede Anwendung die richtige Waage zur verfügbar. Für Kleinteilelager mit mehreren tausend Lagerplätzen gibt es Regalfachböden mit integrierten Waagen, die über ein Bussystem einfach anschließbar sind und über einen zentralen Controller die Daten an die Cloud senden. Silowaagen hingegen lassen sich am besten mit Wägemodulen auf Dehnungsmessstreifen (DMS) Basis aufbauen, die individuell über ein externes oder internes Gateway die Daten an die Cloud senden.

Unternehmensübergreifende Lösungen

Der besondere Charme einer CloudLösung liegt darin, dass die Daten über das Internet verfügbar sind. Damit kann der Anwender wählen, mit welchen Geräten er von welchem Standort aus auf die Daten zugreift und wer sonst noch Einblick in die Daten hat.

Flexibler Datenzugriff

Die zentrale Ablage der Daten in der Cloud ermöglicht es auch, Daten über Firmengrenzen hinweg zu nutzen und z. B. Kunden neben dem Verkauf von Waren auch gleich noch das Lagermanagement mit anzubieten. Im folgenden Beispiel stellt der Rohstofflieferant A bei seinem Kunden B Silos auf, in denen er seine Produkte vor Ort zur Verfügung stellt. Über die Cloud-Anbindung hat er Zugriff auf den aktuellen Lagerbestand und kann den optimalen Zeitpunkt für eine Nachlieferung planen, somit seine Disposition optimieren und dem Kunden die entnommenen Materialmengen zeitnah berechnen.

Rohstoffhändler A kann seinem Kunden auch den Zugriff auf die Bestandsdaten erlauben und somit einen Mehrwert für seinen Kunden schaffen. Nahezu ohne zusätzlichen Aufwand kann so die Kundenbindung vertieft und eine positive Differenzierung zum Wettbewerb erzielt werden. Sollte es Probleme geben, das interne Netzwerk des Kunden für die Internetanbindung der Silowaagen zu nutzen, lassen sich diese auch einfach direkt über das Mobilfunknetz anbinden. Natürlich lassen sich neben Silos auch große Regallager aus der Ferne verwalten.

Neue Vertriebswege

Mit Hilfe der Cloud kann der Point of Sales auf das Firmengelände des Kunden verlagert werden. Informell behält der Lieferant die volle Kontrolle über die Lagerinhalte, während der Kunde den physischen Zugriff auf die Waren hat. Schranksysteme mit intelligentem, kartenbasierten Zugriffssystem erlauben es, genau zu ermitteln wer, wann, was entnommen hat und wem eine Rechnung zuzuordnen ist. Nebenbei können dem Kunden auch einfach Produkte präsentiert werden, die er bisher beim Wettbewerb gekauft hat.

Aktueller Stand der Dinge

Die hier aufgeführten Beispiele sind keine Zukunftsvisionen, sondern zeitnah verfügbar. Aktuell arbeitet die Heavy Data GmbH daran, die vorhandenen Lösungen auf einer Cloud-Plattform zusammenzuführen und Schnittstellen zu definieren, die es vielen Herstellern möglich macht, ihre Geräte direkt an die Cloud anzubinden. Ziel ist es, einfache Lösungen zu generieren, die es dem Anwender ermöglichen, die Cloud für seine Anwendungen zu nutzen − ohne IT-Spezialkenntnisse und riesigem Budget.

Die Gründer der Heavy Data GmbH Roger Faust und Dr. Jens Achenbach verfügen zusammen über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Konzeption und dem Vertrieb von Komponenten und Systemen im Bereich der Wägetechnik. Das 2019 in Oberursel gegründete Start-up nutzt das Konzept Industrie 4.0 für wägetechnische Anwendungen. Hierzu wird eine Cloud-Plattform entwickelt, die Gewichtsdaten sammelt, speichert, verarbeitet und zur Verfügung stellt. An die Cloud können alle Geräte angebunden werden, sofern sie über entsprechende Schnittstellen und Protokolle verfügen. Die notwendigen Informationen werden bei Bedarf allen Interessenten zur Verfügung gestellt. Weiterhin können Programme von Drittfirmen die Daten in der Cloud abholen und nutzen, vorausgesetzt dies wird vom Anwender freigeschaltet.


Dieser Artikel erschien zuerst in dem Fachmagazin Schüttgut&Prozess in der Ausgabe 3/19.

 

Den kompletten Artikel können Sie sich hier als PDF ansehen (ca 4,9 MB)